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Das Edelweiß als Türöffner

„Fränkischer Schild“ in Gundelsheim.

Rolf Kreutel, OTL d.R.

Zu den letzten Großübungen der Bundeswehr vor der Wende zählte die Gefechtsübung „Fränkischer Schild“ im September 1986. Nahezu 60 000 Soldaten, darunter 8 000 Amerikaner und 3 000 Franzosen, waren mit 3 500 Ketten- und 14 000 Radfahrzeugen im Raum Schweinfurt – Würzburg – Walldürrn – Heilbronn im Einsatz. Nach Ausbildung im Rahmen einer Mob-Übung für alle Kompanien sollte das Jägerbataillon 753 von den Ausbildungszentren auf der Schwäbischen Alb in seinen Einsatzraum nördlich von Heilbronn verlegen.

Im Gegensatz zu vorhergehenden Übungen, bei denen oft zivile Objekte als Unterkünfte angemietet wurden, musste jede Kompanie Stellungen, Sicherungsmöglichkeiten und auch Unterkünfte selbst erkunden. Als Kp-Chef der 1./753 – der Stabs- und Versorgungskompanie – gehörte es zu meinen Aufgaben, die einzelnen Teileinheiten so unterzubringen, dass die Realversorgung des Bataillons und die Instandsetzung von Waffen und Material während der Gefechtsübung gewährleistet war. Einsatzraum der Kp war der Raum Mosbach – Neckarelz. Eine Erkundung wenige Tage vor Übungsbeginn brachte ein Ergebnis, das nicht ideal war, mit dem man aber leben konnte.

Inzwischen war die Großübung in Bayern angelaufen. Aufgrund der Entwicklung der Lage entschloss sich OTL Klotz als Kommandeur JgBtl 753 kurzfristig, den Einsatzraum der 1. Kp nach Süden in den Raum Gundelsheim zu verlegen. Mit einem kleinen Vorkommando fuhr ich an jenem Sonntagnachmittag, an dem für das Jägerbataillon die Großübung begann, nach Gundelsheim, um für die über 150 Soldaten der Kp die entsprechenden Stellungen, Arbeitsmöglichkeiten und Unterkünfte zu erkunden. Der Rest der Kp sollte etwa zwei Stunden später nachgeführt werden. Dieses Vorhaben gestaltete sich an einem Sonntagnachmittag sehr schwierig, da niemand das Städtchen kannte oder in der Umgebung zu Hause war. So wurde uns u.a. Vorplatz und Halle einer Hähnchenschlachterei mit den entsprechenden Gerüchen angeboten. Ein Ortskundiger empfahl uns, zur Deutschherrenburg hochzufahren, da sich dort neben einem Restaurant die Deutschherrenhalle befand, die man evtl. als Unterkunft nutzen könnte. Im Restaurant kam mir die Geschäftsführerin entgegen, die mich nach Vorbringen meiner Anfrage nur verständnislos anschaute. Dann fiel ihr Blick auf meine Bergmütze mit Edelweiß, die ich während der Erkundung gegen das Barett getauscht hatte. „Mei Mann hat bei seine Übunge au so e Kapp uff, vielleicht kann der ihne helfe!“, sagte sie. Ich klingelte an ihrer Wohnung im Nebenhaus. Anscheinend hatte ihr Mann gerade seinen Mittagsschlaf beendet, als er mir mit Unterhemd bekleidet die Tür öffnete. Der Blick auf meine Mütze stellte die sofortige Verbindung zu einem ehemaligen Gebirgsjäger her, der wie ich seinen Wehrdienst beim GebJgBtl 222 in Mittenwald leistete. Ich trug ihm mein Anliegen vor und er bat mich in die Wohnung. Nachdem er mich telefonisch mit dem Bürgermeister und einigen Bauern im Nachbarort verbunden hatte, stand nach etwa einer Viertelstunde das erfreuliche Erkundungsergebnis fest: die Masse der Kp mit Gefechtsstand sollte das leerstehende alte Rathaus in Obergriesheim als Unterkunft beziehen, die Feldküche fand mit ihren vier Küchenfahrzeugen einen geteerten Platz mit Wasser und Abwasser vor der Turnhalle, der Truppenarzt mit seinen Sanitätern wurde im Clubhaus des Sportvereins untergebracht und für die Instandsetzung war die große Scheune mit Vorplatz eines Bauernhofes vorgesehen. Da es damals noch keine „Flatrate“ gab, wollte ich die zahlreichen Telefonate bezahlen, was mein Helfer dankend ablehnte. Ich bedankte mich für seine großzügige Hilfe, rief mein Erkundungskommando zusammen und fuhr zu den Örtlichkeiten. Sie lagen disloziert im ganzen Ort verteilt und boten hervorragende Sicherungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Sofort schickte ich mehrere Einweiser an den Ortseingang von Gundelsheim, wo die Masse der Kp eine halbe Stunde später eintraf. Reibungslos flossen die Teileinheiten in ihre Quartiere ein und begannen mit Sicherung der Objekte und Aufnahme der Realversorgung des Bataillons.

Nur unser „S 1 Rittmeister“, mit dem wir immer viel Spaß hatten und der im ehemaligen Bürgermeisterzimmer „residierte“, war mit der sehr primitiven Unterkunft nicht ganz zufrieden. Er nahm Nachtquartier bei einem Bauern mit der Verpflichtung, für mich jederzeit erreichbar zu sein. Das Pferd für seinen morgendlichen Ausritt konnte ihm allerdings nicht gestellt werden ....


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